150 Jahre nach dem Erscheinen der kunstvollen Kupferstichserien von J.E. Ridinger haben sich unsere Windhunde in ihrer phänotypischen Erscheinungsform deutlich verändert. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begann man – zunächst vornehmlich in England – durch gezielte Zuchtwahl die unterschiedlichen Hunderassen herauszubilden. Rassereinheit -durch entsprechende Ahnentafeln dokumentiert- wurde zum zentralen Faktor in der neuen Welt der Rassehundezucht. Um die Jahrhundertmitte (1856) fand in England die erste moderne Hundeausstellung statt. Auch in Deutschland fand die Zucht von Rassehunden immer mehr Freunde.
Der Präses des Hamburger Vereins zur Förderung reiner Hunde-Racen, der Thiermaler
Jean Bungartz,
veröffentlichte 1884 das Buch: KYNOS – Handbuch zur Beurtheilung der Racen-Reinheit des Hundes. (Stuttgart 1884)
Sinn und Zweck der von ihm reich illustrierten Veröffentlichung war es nicht allein, die Rassekennzeichen aufzuführen, sondern „beim Wort die Racen im standartrichtigen Bild (vorzuführen), so dass es selbst dem Laien leicht sein wird, durch Vergleich des Bildes mit dem lebenden Thiere sich vor den leider zu verbreiteten, betrügerischen Manipulationen gewissenloser Händler zu schützen.“ (Vorwort) Wir können von daher von realistischen Abbildungen der Hunde ausgehen und erhalten so wichtige Hinweise auf den Phänotyp einiger Windhundrassen, die der Maler in Deutschland vorgefunden und z.T. selbst besessen hat.
Den Barsoi (Russischer Windhund) bezeichnet Bongartz, der selbst einen Rüden dieser Rasse besaß, als den imposantesten Vertreter der Windhundgruppe. Die Beliebtheit dieser sehr teuren Luxushunde erklärt der Verfasser mit ihrer imposanten Erscheinung und der Tatsache, dass man sie gut im Haus halten könne. (S. 110)
Zum schottischen Deerhound schreibt Bungartz: „Der jetzige schottische Hirschhund repräsentirt den alten irischen Wolfswindhund und unterscheidet sich von diesem nur durch geringere Größe und leichtere Bauart. Der Hirschund … ist weit kräftiger wie der englische Windhund…“ (S. 108)
Das Urteil über den englischen Greyhound fällt bei unserem Verfasser doch recht zwiespältig aus: “ Als Luxushund ist er nicht sehr beliebt, da seine Intelligenz und Anhänglichkeit nicht allzu vorteilhaft für ihn ins Gewicht fällt. Zum Hatzen und Rennen ist er der geeignetste Hund, dessen Schnelligkeit ans Unglaubliche grenzt“ (S.106)
Auch die Ausführungen zum Windspiel sind heute noch durchaus lesenswert. Bungartz bezeichnet es als eine Miniaturausgabe des großen englischen Windhundes und vermutet seine Herkunft in Süd- frankreich oder Italien. Ein Gewicht von 4 1/2 Kg ist seiner Meinung nach deutlich zu hoch.
Weiter schreibt er:
„Eine besondere Verwendung findet das Windspiel nur als Damen- und Schoosshündchen (…) .Die überaus zarte Constitution des Windspiels nöthigt den Besitzer, dasselbe bei Ausgängen mit einer Decke , bzw. Schabracke zu versehen, denn die geringsten Witterungseinflüsse machen es nervös, und ein fortwährendes Frieren selbst bei milder Luft ist stets bemerkbar.“ (S. 67)
Leider gibt es in KYNOS keine Bemerkungen und Abbildungen über den Whippet. Offenbar war er in Deutschland in den 80er Jahren des 19. Jhdts.noch nicht bekannt, was auch nicht überraschen kann, wenn man bedenkt, dass der 1. Rassestandard für Whippets erst 1891 publiziert wurde.